Bayreuth (Oberfranken/Bayern)

Wirtschaft | Oberfranken    Bayreuth mit derzeit ca. 75.000 Einwohnern ist eine kreisfreie Stadt im bayerischen Regierungsbezirk Oberfranken (Kartenskizzen 'Oberfranken', aus: oberfranken.de  und  'Landkreis Bayreuth', aus: oberfranken-ost.de).

 

Vermutlich seit dem 13.Jahrhundert hat es erste Ansiedlungen von jüdischen Familien in der Stadt Bayreuth gegeben, nachdem Burggraf Friedrich III. von Nürnberg seine Erlaubnis dazu gegeben hatte. Nach der Zeit der mit der Pest einhergehenden Verfolgungen Mitte des 14.Jahrhunderts übertrug Kaiser Karl IV. das Judenregal - die Steuerhoheit und Gerichtsbarkeit über Juden - dem hiesigen Burggrafen, der „seine“ Juden in der Folgezeit schützte. Dieser ernannte auch den jüdischen Gelehrten ‚Meier zu Peyrreut‘ zum Landesrabbiner über die in Bayreuth, Hof und Kulmbach bestehenden Judengemeinden.

Erste urkundlich gesicherte Ansässigkeit jüdischer Familien datiert im Jahre 1372; ihre Wohnsitze befanden sich in der „Judengasse“, die an die parallel verlaufende Stadtmauer grenzte. Doch schon Anfang des 15.Jahrhunderts wurden die in Bayreuth ansässigen Juden auf Anweisung der Markgrafen von Brandenburg wieder vertrieben; damit verbunden war eine Schuldentilgung für alle Schuldner von jüdischen Gläubigern. Nach erneuter kurzzeitiger Ansiedlung weniger jüdischer Familien folgte 1488 abermals ihre Vertreibung aus der Stadt. Im 16.Jahrhundert sollen sich erneut Juden in Bayreuth niedergelassen haben.

Stadt Bayreuth - Ausschnitt aus einem Stich von ca. 1680 (Abb. aus: wikipedia.org, gemeinfrei)

Erst gegen Mitte des 18.Jahrhunderts erhielten mit dem Regierungsantritt des Markgrafen Friedrich zehn jüdische Familien ein nun dauerhaftes Bleiberecht in Bayreuth. Sie entstammten der Gemeinde Baiersdorf, und mit ihrer Ansiedlung war das Fundament zur neuzeitlichen jüdischen Gemeinde gelegt, die um 1770 - also nur ein Jahrzehnt später - bereits etwa 400 Angehörige umfasste. In den ersten Jahren des Bestehens der Kultusgemeinde mussten die Juden Bayreuths ihre Toten nach Baiersdorf bei Erlangen oder - einer anderen Angabe zufolge - nach Burgkunstadt überführen. Ende der 1780er Jahre erwarben die Juden Bayreuths - mit markgräflicher Genehmigung - ein Grundstück an der Nürnberger Straße (im heutigen Ortsteil Kreuzstein), das fortan als Begräbnisstätte genutzt wurde und nach mehrmaligen Erweiterungen bis heute besteht.

Die Synagoge der jüdischen Gemeinde Bayreuth stand in der Münzgasse neben dem Opernhaus. Es war ein vom Baumeister Guiseppe Vanini umgestaltetes stattliches Bauwerk von fast 15 Meter Höhe, das bereits in der Mitte des 18.Jahrhunderts errichtet und als markgräfliches Komödienhaus genutzt worden war. Der Gemeindegründer Moses Seckel - er war Hofbankier/Münzlieferant des Markgrafen - hatte das Gebäude zusammen mit seinem Bruder David erworben und auf eigene Kosten zum Gotteshaus umbauen lassen; dessen Einweihung geschah im Jahre 1760. Das Synagogengebäude blieb zunächst im Eigentum des Stifters; 1772 ging es dann in gemeindlichen Besitz über.

Gegenüber der Synagoge, am Mühlbach, befand sich damals ein rituelles Frauenbad, welches später in die Badeanstalt Rosenau verlegt wurde. Seit Anfang der 1820er Jahre gab es in Bayreuth eine jüdische Schule. Neben dem Platz des alten Bades an der Münzgasse errichtete die Gemeinde 1867 eine Schächterhütte, in der das Vieh nach jüdischen Vorschriften geschlachtet wurde.

Bereits im 18. Jahrhundert war Bayreuth Sitz eines Rabbiners, allerdings waren die hier tätigen zunächst als „Vize-Rabbiner“ dem Landesrabbiner in Baiersdorf unterstellt; seit 1829 war dann Bayreuth Sitz eines eigenen Bezirksrabbinates, zu dem die jüdischen Gemeinden von Hof, Kulmbach und die der Oberpfalz zählten. Als Rabbiner der Bayreuther Gemeinde amtierte von 1830 bis 1850 der aus Baiersdorf stammende Joseph Aub (1805-1880). Dr. Aub gehörte zu den Anhängern einer gemäßigten Reform des Judentums und war einer der ersten Rabbiner in Bayern, die auch deutsche Predigten hielten. Gemeinsam mit Abraham Geiger (1810-1874) publizierte er die „Zeitschrift für jüdische Theologie“. Joseph Aub ist in seinen letzten 15 Lebensjahren Oberrabbiner in Berlin gewesen.

aus: "Allgemeine Zeitung des Judentums" vom 21. Sept. 1880

Stellenausschreibungen der Jüdischen Gemeinde Bayreuth von 1875 - 1902 - 1924:

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%2099/Bayreuth%20AZJ%2001061875.jpg http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%2099/Bayreuth%20Israelit%2004091902.jpg http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20322/Bayreuth%20CV-Ztg%2010071924.jpg

Infolge der sich ständig verschlechternden wirtschaftlichen Verhältnisse und der zunehmenden Auswanderungen war dann eine Finanzierung des Bezirksrabbinats nicht mehr gegeben, so dass dieses im Jahre 1936 aufgelöst wurde; an seine Stelle trat Regensburg. Die letzten beiden Rabbiner Bayreuths waren Dr. Salomon Kusnitzki (1880-1911) und Dr. Benjamin Falk Felix Salomon (1912-1936) gewesen.

 aus: "Bayerische Israelitische Gemeindezeitung" vom 15.Mai 1936

Juden in Bayreuth:

         --- 1759 ..........................  10 jüdische Familien,

    --- 1763 ..........................  24     “       “    ,

    --- 1771 .......................... 401 Juden,

    --- um 1830/40 .................... 530   “  (ca. 100 Familien),

    --- 1880 .......................... 357   “  ,

    --- um 1900 ................... ca. 350   “  ,

    --- 1910 .......................... 365   “  ,

    --- 1925 .......................... 306   “  ,

    --- 1933 .......................... 261   “  (0,7% d. Bevölk.),

    --- 1939 (Mai) .................... 108   “  ,

    --- 1941 (Nov.) ...................  78   “  ,

    --- 1942 (Jan.) ...................   7   “  ,

    --- 1946 .......................... 350   “  .

Angaben aus: Baruch Z. Ophir/Falk Wiesemann, Die jüdischen Gemeinden in Bayern 1918 - 1945, S. 119

 

Nach 1780 veränderte sich über viele Jahrzehnte hinweg die Zahl der in Bayreuth lebenden Juden kaum. Noch im 19.Jahrhundert hieß die heutige von-Römer-Straße „Judengasse“, obwohl hier schon seit Ende des 15.Jahrhunderts keine Juden mehr gelebt hatten. Im Jahre 1819 kam es auch in Bayreuth zu antijüdischen Ausschreitungen, den sog. „Hepp-hepp-Krawallen”. Auch in den folgenden Jahrzehnten sind dann immer wieder antisemitische Unmutsäußerungen seitens der Bayreuther Bevölkerung aufgeflackert.

Seit den 1860er Jahren gab es in Bayreuth ein „Asyl für gemüths- und nervenkranke Israeliten“. Die Schaffung einer nur für Juden bestimmten „Anstalt“ wurde vom Betreiber und ärztlichen Leiter, Dr. Würzburger, mit den Worten begründet: „ .. nicht zu verkennende Tatsache, daß bei der Behandlung und Kur geistiger Erkrankungen das religiöse Element einen seiner Wichtigkeit entsprechenden Rang einzunehmen berufen ist.“ 

Anzeigen von 1883 und 1897

Um die Jahrhundertwende zählte die israelitische Gemeinde Bayreuths etwa 350 Mitglieder. Die vielfach alteingesessenen Familien verdienten ihren Lebensunterhalt zumeist im Textilhandel, und auch drei große Kaufhäuser waren in jüdischem Besitz.

               Geschäft des Ehepaars Neuland im Redoutenhaus Opernstraße / Ecke Münzgasse (1910)'Modewaren Neuland', im Redoutenhaus, Aufn. 1910, aus: wikiwand.com

                      

                                                    Anzeige von 1901                                                      jüdisches Geschäft (Hist. Museum Bayreuth)

Sternplatz um 1910 mit Geschäft von Simon Pfefferkorn (aus: wikipedia.org, PD-alt-100)

In den ersten Jahren der Weimarer Republik fielen die Hetzkampagnen des „Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbundes” auch in Bayreuth auf fruchtbaren Boden, vor allem beim Bürgertum. Dieser Pressekampagne versuchte die Ortsgruppe des „Centralvereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens” entgegenzusteuern. Auch der damalige Bayreuther Oberbürgermeister Albert Preu warnte öffentlich vor den radikalen Rechten: „ ... Die Angriffe gegen das Judentum, welche teils offen, teils heimlich, teils in Aufrufen, teils in Klebezetteln fast tagtäglich erfolgen, nehmen allmählich Formen an, welche eine Bedrohung nicht nur der Beteiligten, sondern auch des öffentlichen Friedens bedeuten. ...” Trotzdem fanden die antisemitischen Hetzparolen der rechten Szene weiterhin regen Zuspruch.*

* In Bayreuth lebte damals der englische Kulturphilosoph und Rassentheoretiker H. Stewart Chaimberlain, der als einer der geistigen Wegbereiter der Nationalsozialisten angesehen werden kann. Chaimberlain war der Schwiegersohn Richard Wagners, und die Stadt Bayreuth hatte ihm die Ehrenbürgerwürde angetragen.

1923 verstärkte sich die rechte Agitation noch, denn die inzwischen gegründete NSDAP-Ortsgruppe mit ihren ca. 300 Mitgliedern und der fränkische NS-Führer Julius Streicher heizten die Stimmung derart an, dass es im Frühjahr 1923 in der Stadt zu bürgerkriegsähnlichen Unruhen kam, die nur durch massive Polizeipräsenz eingedämmt werden konnten. Als ab Ende 1929 die Nationalsozialisten im Bayreuther Stadtrat fast ein Drittel der Sitze inne hatten, setzte wieder eine verstärkte antijüdische Hetze ein, die - wie der Oberbürgermeister Albert Preu formulierte - eine Atmosphäre schuf, „die im Allgemeininteresse schädlich, für die Einwohner jüdischen Glaubens beunruhigend und peinlich” war. In öffentlichen Aufrufen versuchten die Bayreuther Juden sich zur Wehr zu setzen. So hieß es im Dezember 1932 in einer Anzeige in der „Oberfränkischen Zeitung”:

Mitbürger !

Glaubt nicht den Verleumdungen und Beschimpfungen, die Ihr über das Judentum lest und hört; sie sind elende Wahlmanöver, mit dem man Euch einfangen will nach dem Motto: Die Juden sind an allem schuld ! Wer gerecht und anständig denkt, lehnt diese widerwärtige Hetze, diese Spekulation auf niedrige Instinkte ab, die eine Kulturschande für Deutschland sind. Wir deutschen Juden sind Menschen wie Ihr und Deutsche wie Ihr und nicht besser und nicht schlechter als Ihr. Nur der Friede im Innern gewährleistet den Wiederaufstieg des Vaterlandes.

Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens

Ortsgruppe Bayreuth

Nicht erst am 1. April 1933, sondern bereits im Dezember 1932 versuchte die NSDAP, die Einwohner Bayreuths zum Boykott jüdischer Geschäfte zu bewegen. Ein zweiter Versuch fand dann am 11.März 1933 statt, als SA-Angehörige sich vor einigen jüdischen Geschäften postierten und Kaufwillige einzuschüchtern versuchten. Der reichsweit durchgeführte Boykott des 1.April 1933 wurde in Bayreuth begleitet von einer umfangreichen Propagandakampagne: Jüdische Geschäfte waren markiert worden, Listen mit allen jüdischen Unternehmen hingen öffentlich aus, Aufrufe und „Aufklärungsveranstaltungen“ prasselten auf die „Volksgenossen“ ein. Die Folgen waren absehbar: Die Schließung jüdischer Geschäfte nahm ihren Anfang, und in der Zeit von 1933 bis 1935 wurde ein Drittel der Läden aufgegeben. Anfang 1936 konnte der Bayreuther Oberbürgermeister Schlumprecht vermelden: „Die Befreiung der Geschäftswelt von Juden macht weitere Fortschritte. Nunmehr soll auch das in jüdischen Händen befindliche hiesige Einheitspreisgeschäft Erwege in arische Hände übergehen.” Im Oktober 1936 verfügte der NSDAP-Gauleiter Wächtler, dass ab sofort alle „arischen“ Geschäfte - zur Unterscheidung von jüdischen - besonders zu kennzeichnen seien. Die jüdischen Schüler mussten nun die öffentlichen Schulen verlassen und in die einklassige jüdische Schule überwechseln.

Im März 1935 hatte die Bayreuther Kultusgemeinde das 175jährige Jubiläum ihrer Synagoge begangen. In Vorahnung auf die weitere Entwicklung schrieb der damalige Distriktrabbiner Dr. Benjamin F. Salomon: „... In schwerer Zeit wurden Gemeinde und Synagoge begründet, in schwerer Zeit feiern wir das 175-jährige Bestehen. Möge durch göttliche Gnade unserer Gemeinde Existenz und Zukunft erhalten bleiben!“  Anfang November 1938 lebten noch ca. 120 jüdische Bewohner in Bayreuth.

Nach einer in den Abendstunden des 9.November 1938 abgehaltenen NSDAP-Versammlung marschierten alle SA-Angehörigen zur Synagoge, drangen in das Gebäude ein, zerschlugen Fenster und die Inneneinrichtung und warfen die Ritualien auf die Straße. Zu einer Brandlegung kam es aber nicht, weil sich in unmittelbarer Nähe das Markgräfliche Opernhaus befand. Der Versuch, die Synagoge abzureißen, soll durch das Einschreiten des Oberbürgermeisters Kempfler verhindert worden sein. Zerstört wurde in der Nacht auch das jüdische Gemeindehaus mit der kleinen Schule. Einige SA-Angehörige demolierten jüdische Wohnungen und Geschäfte; dabei kam es auch zu Plünderungen. Fast alle jüdischen Männer kamen zunächst im Innehof des Rathauses, danach in der Rotmainhalle in Arrest, die Mehrzahl wurde tags darauf freigelassen, ein Teil sollte ins KZ Dachau abtransportiert werden, wurde stattdessen aber wochenlang im Gefängnis von Hof festgehalten.

                 Aus einem Artikel der „Bayrische Ostmark” vom 11.11.1938:

Das Maß war wirklich voll !

Empörung gegen das Judentum steigerte sich zu spontanen Aktionen

Der feige jüdische Mord ... hat auch in Bayreuth das Maß an Entrüstung und Erbitterung gegenüber den Juden vollgemacht. Als sich am Mittwochabend die Nachricht vom Tode des Gesandtschaftsrates mit Windeseile in der Stadt verbreitete, stieg die Empörung in wenigen Stunden derart, daß es noch in der Nacht zu spontanen Aktionen gegen das Judentum kam. Bayreuther Volksgenossen fanden sich im Nu zusammen und gingen gegen die noch hier befindlichen jüdischen Läden vor. Die Schaufenster von vier jüdischen Geschäften ... wurden zertrümmert. Die jüdische Ramschware wurde gründlich durcheinandergeworfen, aber sonst nichts von ihr angerührt. Der Sturm der Entrüstung, der die Menschenmenge erfaßt hatte, richtete sich jedoch vor allem gegen die Synagoge in der Münzgasse. In der Siedehitze der Erregung wurde das Innere der Synagoge vollständig demoliert und auf die Straße geworfen. ... Im übrigen war die Bayreuther Polizei sehr schnell zur Stelle und nahm die Juden zur Sicherheit ihrer eigenen Person in Schutzhaft. 60 Juden wurde so im Laufe der Nacht in den Schutz der Polizei genommen. ...

 

Anfang Dezember 1938 war die „Entjudung“ der Bayreuther Geschäftswelt abgeschlossen. Ein Jahr später mussten die verbliebenen Juden ihre Wohnungen räumen und wurden zwangsweise in „Judenhäuser“ eingewiesen. Ab Ende November 1941 setzten die Deportationen nach Riga und Theresienstadt ein. Bei der ersten Deportation Ende November 1941 kamen die betroffenen Bayreuther Juden zunächst in das Sammellager nach Nürnberg-Langwasser. Tage später mussten sie sich einem großen Bahntransport anschließen, der das Lager ‚Jungfernhof’ bei Riga zum Ziel hatte. Im Frühjahr 1942 wurde ein Teil von ihnen dort ermordet, der andere Teil nach Auschwitz-Birkenau verfrachtet. Nur sehr wenige Juden aus Bayreuth haben die Verfolgungen und Deportationen der NS-Zeit überlebt.

Mehr als 60 Bayreuther Juden sollen dem Holocaust zum Opfer gefallen sein; nach neuesten Forschungen sollen es sogar ca. 180 Personen gewesen sein, die aus der Stadt stammten bzw. über einen längeren Zeitraum hinweg hier ansässig gewesen waren.

 

Nach Kriegsende wurde eine neue jüdische Gemeinde gegründet; sie setzte sich vor allem aus befreiten Häftlingen naher Konzentrationslager zusammen. Im Jahre 1946 zählte sie ca. 350 Mitglieder, doch in den Folgejahren verließen die meisten die Stadt wieder, um nach Palästina/Israel oder in die USA auszuwandern.

Mitte der 1970er Jahre lebten nur noch etwa 30 Juden in Bayreuth. Ihren Gottesdienst hielten sie wieder in der Synagoge in der Münzgasse ab. Ende der 1990er Jahre zählte die jüdische Gemeinde dann mehr als 220 Mitglieder, und im Jahre 2020 waren es ca. 500 Personen.

Auf dem jüdischen Friedhof an der Nürnberger Straße - er ist mit ca. 6.000 m² Fläche und einer Belegung von mehr als 1.000 Verstorbenen einer der größten Frankens - erinnert neben dem Taharahaus seit 1995 ein aus drei Stelen bestehendes Monument an die Opfer der NS-Verfolgung.

Blick auf den jüdischen Friedhof in Bayreuth (Aufn. aus: steinheim-institut.de, um 2010)*

            * Anm.: Eine Dokumentation der Grabstätten des jüdischen Friedhofs in Bayreuth wurde 2011 abgeschlossen.

 Taharahaus (Aufn. GertG., 2009, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0) 

Gedenkbuch der Stadt für die Opfer des Nationalsozialismus - Bayreuth.de Mahnmal (Aufn. Stadt Bayreuth) 

Im Neuen Bayreuther Rathaus wurde anlässlich des 50.Jahrestages des Novemberpogroms eine Inschriftentafel mit den folgenden Worten angebracht:

Die Stadt Bayreuth

Den Opfern der Gewaltherrschaft 1933 - 1945 zum Gedenken.

 

Anlässlich des 80.Jahrestages der Novemberpogroms von 1938 wurde im Foyer des Kunstmuseums im Alten Rathaus eine Gedenktafel enthüllt, die an diejenigen jüdischen Bewohner Bayreuths erinnert, die hier in der Nacht vom 9./10.Nov. 1938 hier zusammengetrieben worden waren.

Im Jahre 2003 übergab die „Geschichtswerkstatt Bayreuth“ als Initiatorin der sog. „DenkStein-Aktion“ die mit Namen ermordeter Bayreuther Juden beschrifteten Gedenksteine an die Stadt, die sie als dauerhaftes Erinnerungs- und Mahnmal im Historischen Museum aufstellte.

Im künftigen städtebaulichen Sanierungsgebiet Richard-Wagner-Straße/Münzgasse soll ein neues jüdisches Kultur- und Gemeindezentrum entstehen. Zudem wird die alte Synagoge der jüdischen Gemeinde umfassend saniert und um den Neubau einer Mikwe ergänzt.

 

                         Bauzustand der Synagoge um 1960    -    Perspektivische Ansicht der Synagoge (aus: regierung.oberfranken.bayern.de)

         

Synagogengebäude in der Münzgasse (Aufn. Chianti, 2012 bzw. 2019, aus: wikipedia.org, FAL)

Bei den 2009 begonnenen Sanierungsarbeiten in der Bayreuther Synagoge wurden zahlreiche religiöse Schriften und Kultusgegenstände entdeckt, die unter Brettern des Dachbodens versteckt waren. Dieser unberührte Genisa-Fund - Teile sollen aus dem 18.Jahrhundert stammen - wurde dann von Fachleuten ausgewertet. Es besteht die Absicht, diesen Fund im geplanten jüdischen Museum – es soll gegenüber die Synagoge in der „Alten Münze“ (Münzgasse) eingerichtet werden – zu präsentieren. Mit den eigentlichen, in die Gebäudestruktur eingreifenden kostenintensiven Sanierungsmaßnahmen wurde Ende 2014 begonnen; im Frühjahr 2018 waren die Arbeiten vorerst abgeschlossen. - Inzwischen werden konkrete Planungen realisiert, dort künftig ein neues jüdisches Gemeinde- u. Kulturzentrum unterzubringen.

 

An der Stadtkirche von Bayreuth befand sich bis 2004 eine Sandsteinskulptur mit der mittelalterlichen antijüdischen Darstellung einer sog. „Judensau“. Das Entfernen dieser Skulptur war erst nach jahrelang geführten Kontroversen möglich geworden. Heute ist an dieser Stelle eine erklärende Schrifttafel angebracht.

                                     File:Stadtkirche Bayreuth Skulptur Aussenwand 02.09.04.jpg  beide Abb. aus: wikipedia.org, CCO

In unmittelbarer Nähe zum Festspielhaus erinnert im nahen Park eine Dauerausstellung an zahlreiche, zumeist jüdische Künstler der Bayreuther Festspiele, die Opfer der NS-Gewaltherrschaft geworden sind; die Ausstellung firmiert unter dem Titel „Verstummte Stimmen. Die Bayreuther Festspiele und die Juden 1876-1945“.

                  Ausstellungstafeln (Aufn. Roehrensee, 2012, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

(Anm.: Die in Bayreuth sich befindenden Stelen mit biografischen Daten der betroffenen Künstler waren Teil einer überregionalen Exposition, die in verschiedenen Städten gezeigt wurde.)

Nach mehrheitlich getragener Entscheidung im Bayreuther Stadtrat (2020) wurde jüngst ein Denkmal für die ehemaligen jüdischen Bürger geschaffen (2023), das an die aus Bayreuth stammenden Opfer des NS-Regimes erinnert. Dieses ungewöhnliche Mahnmal – eine in den Boden versenkte akustische Installation – befindet sich auf dem Sternplatz - dort, wo früher das jüdische Kaufhaus Pfefferkorn stand. Vorübergehende Passanten werden dabei mit den Namen und Lebensdaten von 182 Bayreuther Opfern des Nationalsozialismus konfrontiert.

Auch die Möglichkeit, sog. „Stolpersteine“ zu verlegen, wurde inzwischen angedacht.

 

 

 

In Hollfeld – ca. 20 Kilometer westlich von Bayreuth – hat spätestens seit dem 13.Jahrhundert eine jüdische Gemeinde existiert, die nach urkundlicher Überlieferung anlässlich der „Rindfleisch-Verfolgung“ (1298) zahlreiche Opfer zu beklagen hatte; mehr als 20 Personen sollen damals hier erschlagen worden sein. Ab Mitte des 14.Jahrhunderts bis gegen 1475 haben dann erneut jüdische Familien im Ort gelebt. Aus dieser Zeit zeugt gegenwärtig noch das Vorhandensein der Judengasse (in der Oberstadt); dort soll zu spätmittelalterlicher Zeit auch ein Bethaus gestanden haben. Namentlich bekannt ist der jüdische Sofer („Schreiber“) Mose ben Ascher aus Hollfeld; ein von ihm geschriebenes Manuskript wird in heute Oxford aufbewahrt. - Eine neuzeitliche organisierte israelitische Gemeinde hat es in Hollfeld nicht gegeben; doch müssen wenige Familien hier ansässig gewesen sein wie einzelne Gräber auf dem jüdischen Friedhof in Aufseß dokumentieren.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des „Gedenkbuches Opfer der Verfolgung der Juden ...“ sind vier aus Hollfeld stammende jüdische Bürger der NS-Gewaltherrschaft zum Opfer gefallen (namentliche Angaben siehe: alemannia-judaica.de/hollfeld_synagoge.htm)

https://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20122/Hollfeld%20Judengasse%20253.jpgHeute erinnert noch ein Straßenzug an ehemalige jüdische Niederlassung (Aufn. J. Hahn, 2007).

 

 

In Pottenstein – ca. 30 Kilometer südlich von Bayreuth – gründete sich unmittelbar nach Kriegsende eine jüdische Gemeinde, die sich aus ca. 90 DPs zusammensetzte und bis Anfang 1948 bestand. Die zumeist in beschlagnahmten Wohnungen untergebrachten Juden gründeten den zionistischen Verein „Achida“; auch ein eigener Sportclub bildete sich. Mit der Auswanderung nach Palästina/Israel löste sich 1948 die jüdische Nachkriegsgemeinde in Pottenstein auf.

 

 

Auch in Pegnitz – wenige Kilometer östlich Pottensteins – hatte sich nach Kriegsende eine kleine DP-Gemeinde zusammengefunden. Die Pegnitzer „Jewish DP Community“ zählte im Frühjahr 1946 ca. 50 Personen; im September 1948 waren es fast 90. Infolge Abwanderung sank deren Zahl innerhalb kürzester Zeit derart, dass sich DP-Gemeinde 1949 auflöste.

Anm.: Jüdische Niederlassung in Pegnitz ist aus der Zeit ab Mitte des 15. bis zum 17.Jahrhundert nachgewiesen; darauf deuteten mehrere Grabsteine, die allerdings heute nicht mehr auffindbar sind.

 

 

In Zettlitz, einem Dorfe nördlich Bayreuths, wurde im Oktober 1945 der erste Nachkriegs-Kibbuz („Geulim“) in Franken gegründet. Auf mehreren beschlagnahmten Bauernhöfen siedelten die US-Besatzungsbehörden jüdische DPs an, die hier ihr künftiges Leben in Palästina/Israel vorbereiteten und eine landwirtschaftliche Ausbildung machten. Durchschnittlich lebten von 1945 bis 1948 etwa 70 Personen hier. Im Sommer 1948 wurde der Kibbuz geschlossen, nachdem auch die letzten DPs ausgewandert waren.

 

 

 

Weitere Informationen:

A. Eckstein, Geschichte der Juden im Markgrafenthum Bayreuth, Bayreuth 1907

Rabbiner Dr. Salomon (Red.), Zum 175-jährigen Bestehen der Bayreuther Synagoge, in: „Bayrische Israelitische Gemeindezeitung“ vom 15.3.1935

Josef Gothart, Die Geschichte der Juden in Bayreuth, in: “Münchner Jüdische Nachrichten” aus den Jahren 1954 - 1956 (12teilige Folge)

Rainer Hambrecht, Der Aufstieg der NSDAP in Mittel- und Oberfranken (1925 - 1933), Nürnberg 1976

Gertr. u. Erwin Herrmann, Nationalsozialistische Agitation und Herrschaftspraxis in der Provinz. Das Beispiel Bayreuth, in: "Zeitschrift für Bayrische Landesgeschichte 1976", Band 39, S. 201 f.

Baruch Z. Ophir/Falk Wiesemann, Die jüdischen Gemeinden in Bayern 1918 - 1945. Geschichte und Zerstörung, Oldenbourg-Verlag, München/Wien 1979, S. 119 - 122

Bernd W. Wessling, Bayreuth im Dritten Reich, Weinheim 1982

Gerhard Wilhelm Daniel Mühlinghaus, Der Synagogenbau des 17. u. 18.Jahrhunderts im aschkenasischen Raum, Dissertation, Philosophische Fakultät Marburg/Lahn, 1986, Band 2, S. 49 – 51

Germania Judaica, Band III/1, Tübingen 1987, S. 93 - 96

Sylvia Habermann/Bernd Mayer/Christoph Rabenstein (Bearb.), “Reichskristallnacht” - Das Schicksal unserer jüdischen Mitbürger. Eine Gedenkschrift der Stadt Bayreuth, hrg. im Auftrag des Oberbürgermeisters, Bayreuth 1988

Bernd Mayer, Ein Dorfpfarrer protestierte, in: Friedrich Kraft (Hrg.), Kristallnacht in Bayern - Judenpogrom am 9.Nov.1938 - eine Dokumentation, Claudius-Verlag, Ingolstadt 1988, S. 37 f.

Claus Strunz, Als Juden wie Vieh in den Stall getrieben wurden, in: Beilage des "‘Nordbayrischen Kurier" vom 9.11.1988

Hermann Zvi Guttmann, Vom Tempel zum Gemeindezentrum - Synagogen im Nachkriegsdeutschland, Athenäum-Verlag, Frankfurt/M., 1989, S. 90 - 94

Israel Schwierz, Steinerne Zeugen jüdischen Lebens in Bayern - Eine Dokumentation, Hrg. Bayrische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit, München 1992, S. 210/211 (Bayreuth) und S. 225 (Hollfeld)

Julius H.Schoeps (Hrg.), Neues Lexikon des Judentums, Bertelsmann Lexikon Verlag, Gütersloh/München 1992, S. 64

Josef Gothart, Namhafte Bayreuther Juden im 19.Jahrhundert, in: "Archiv für Geschichte von Oberfranken", 75/1995, S. 358 - 393

Theodor Harburger, Die Inventarisation jüdischer Kunst- und Kulturdenkmäler in Bayern, Band 2: Adelsdorf - Leutershausen, Hrg. Jüdisches Museum Franken - Fürth & Schnaiitach, Fürth 1998, S. 91

Josef Gothart, Was der jüdische Friedhof Bayreuths uns zu sagen hat, in: "Archiv für Geschichte von Oberfranken", No. 78/1998, S. 457 - 470  

H.Paulus/E.Hübschmann, Die ‘Reichskristallnacht’ 1938 in Bayreuth, Geschichtswerkstatt Bayreuth, Bayreuth 1998

Helmut Paulus, Die ‘Reichskristallnacht’ und die Judenverfolgung in der Gauhauptstadt Bayreuth, in: "Historischer Verein für Oberfranken, Archiv für Geschichte von Oberfranken", No. 77/1998, S. 403 ff.

E.Hübschmann/H.Paulus/S.Pokorny,Physische und behördliche Gewalt: Die Reichskristallnacht und die Verfolgung der Juden in Bayreuth, Geschichtswerkstatt Bayreuth e.V., Bumerang-Verlag, Bayreuth 2000

Jim G.Tobias, Vorübergehende Heimat im Land der Täter – Jüdische DP-Camps in Franken 1945 – 1949, Antogo-Verlag, Nürnberg 2002

Irene Hamel (Hrg.) Denk|Steine setzen - Über die Wiedergewinnung der Erinnerung an die ermordeten Juden von Bayreuth. Eine Dokumentation zur Denk-Stein-Aktion in Bayreuth, Bumerang Verlag, Bayreuth 2003

Norbert Aas, Juden in Bayreuth 1933 – 2003: Verfolgung, Vertreibung - und das Danach, hrg. für die Neue Bayreuther Geschichtswerkstatt, Bumerang-Verlag, Bayreuth 2007

Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit in Bayreuth (Hrg.), Jüdisches Bayreuth. Ein Rundgang durch das jüdische Bayreuth - Faltblatt, Bayreuth 2009

Stefan Müller, Das Wunder von Bayreuth – Genisa in der Synagoge entdeckt, in: "Jüdische Allgemeine" vom 23.12.2009

Bernd Mayer/Franz Piontek (Bearb.), Jüdisches Bayreuth - 250 Jahre Synagoge und Israelitische Kultusgemeinde, Hrg. Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit in Bayreuth, Ellwanger Verlag, Bayreuth 2010 (Dokumentation der gleichnamigen Ausstellung Aug./Okt, 2010)

In der epigraphischen Datenbank des Steinheim-Instituts findet sich eine Dokumentation des jüdischen Friedhofes in Bayreuth; aufgenommen wurden 944 Inschriften aus den Jahren 1787 bis zur Gegenwart (in: steinheim-institut.de/cgi-bin/epidat?function=Inf&sel=bay)

Bayreuth, in: alemannia-judaica.de (mit zahlreichen Dokumenten zur jüdischen Gemeindehistorie)

Hollfeld, in: alemannia-judaica.de

Eric Waha (Red.), Evangelische Landeskirche spendet 50.000 Euro für Sanierung der Synagoge der Israelitischen Kultusgemeinde, in: „Nordbayrischer Kurier“ vom 16.8.2013

Eric Waha (Red.), Synagoge wird ab Herbst saniert, in: „Nordbayrischer Kurier“ vom 20.1.2014

Eric Waha (Red.), Synagoge: Alles neu in historischer Hülle, in: „Nordbayrischer Kurier“ vom 10.6.2016

Eric Waha (Red.), RWG: Gedenken an jüdische Nazi-Opfer, in: "Nordbayrischer Kurier" vom 23.1.2018

Stadt Bayreuth (Hrg.), Stadt erinnert an jüdische Opfer der Pogromnacht vom November 1938, online abrufbar unter: bayreuth.de/stadt-erinnert-an-juedische-opfer/

Stadt Bayreuth (Hrg.), Gedenkbuch für die Opfer des Nationalsozialismus, Bayreuth 2018 (abrufbar unter: gedenkbuch.bayreuth.de)

Stadt Bayreuth – Tourismus (Hrg.), Jüdisches Bayreuth - Ein Rundgang durch das jüdische Bayreuth, Faltblatt (auch online abrufbar unter: bayreuth-tourismus.de/entdecken/noch-mehr-bayreuth/juedisches-bayreuth/)

Wolfram Nagel (Red.), Bayreuth. Tausende Fundstücke. Die Gemeinde plant den Aufbau eines Jüdischen Museums, in: „Jüdische Allgemeine“ vom 26.5.2019

Ute Eschenbacher (Red.). Erinnerung an NS-Opfer – Vorbehalte gegen Gedenk-Stolpersteine in Bayreuth, in: „Kurier“ vom 3.6.2020

Katharina Adler (Red.), Jüdische Opfer des Nationalsozialismus bekommen Denkmal in Bayreuth – eine Stadträtin ist dagegen, in: „Bayreuther Tageblatt“ vom 23.11.2020

Bayrischer Rundfunk (Hrg.), Die Schätze der ältesten, noch genutzten Synagoge Deutschlands, online abrufbar unter: br.de/nachrichten/kultur/ vom 10.2.2021

Christoph Wiedemann (Red.), Bayreuth bekommt Gedenkstele für jüdische Opfer des Nationalsozialismus – Hier soll sie stehen, in: „Bayreuther Tagblatt“ vom 29.4.2021

Eric Waha (Red.), Jüdisches Jubiläumsjahr – Besonderheit ist die Basis, in: „Kurier“ vom 15.12.2021

Andreas Bayerlein – Stadtarchiv Pegnitz (Bearb.), „Vorübergehende Heimat Pegnitz“ - Die jüdische DP-Gemeinde in der Stadt 1945 – 1950, Stadt Pegnitz 19.5.2022

Eric Waha (Red.), Jüdisches Mahnmal – Gesprochenes Gedenken, in: „Kurier“ vom 25.1.2023

Roman Kocholl (Red.), Ausstellung: Pegnitz für Juden nur eine Zwischenstation, in: „Kurier“ vom 7.2.2023

Johannes Pittroff (Red.), Neues jüdisches Kulturzentrum in Bayreuth entsteht, in: „Bayreuther Tagblatt“ vom 25.4.2023

Markus Feulner/BR24 (Red.), Israelitisches Kulturzentrum entsteht in Bayreuth, in: br.de/nachrichten vom 27.1.2024BR24